Jede Woche finde ich ein Immobilieninserat, in dem so denkbar einfach der schnell ergoogelten Bodenrichtwert mit der Grundstücksgröße multipliziert wird. Der daraus berechnete Bodenwert sei dann gerne als fester Parameter in Stein gemeißelt. Er vermag für Interessenten in der Verhandlung unantastbar sein und nicht zu hinterfragen. So ist die Basis schließlich der offizielle Bodenrichtwert des Grundstückmarktberichtes, und damit die zusammengefasste Werteableitung des regionalen Gutachterausschusses. So oft ich dies lese, so falsch ist diese vereinfachte Vorgehensweise.

Was ist der Bodenrichtwert

Der Bodenrichtwert ist zunächst der Wert für den Boden eines Grundstücks. Wohingegen das Grundstück der zu erwerbende Kaufgegenstand ist, mithin Boden und Gebäude sowie die baulichen Nebenanlagen.

Was ist aber eben dieser "Wert". Die zuvor genannte Ableitung aus dem Grundstücksmarktbericht zeigt erstmal nur den Bodenrichtwert einer Bodenrichtwertzone für eine bestimmte Periode eines Referenzgrundstücks.

Die Bodenrichtwertzone

Zunächst werden Bodenrichtwerte nicht objektbezogen vom Gutachterausschuss bestimmt. Vielmehr werden Zonen erstellt, welche ein zusammenhängendes Gebiet markieren. Hier wird versucht, dass die Wertunterschiede innerhalb dieser Zone möglichst zu minimieren. Es werden Cluster gebildet, welche fachlich gesprochen die Gesamtvarianz einer Stadt oder Region in möglichst viele Einzelcluster herunterbricht und damit die Varianz verringt. Die Varianz ist dabei ein Streuungsparameter, welcher die Unterschiede zwischen den Bodenwerten der einzelnen statistischen Einheiten ausweist. Weitergedacht zeigt ein Bodenrichtwert einer Bodenrichtwertzone nur einen Wert für die Teilgesamtheit an. Auch wenn der Versuch eben die Varianz (Streuung) gering zu halten sinnvoll ist, zeigt der Ansatz auch, dass aber eben diese Streuung vorhanden ist. Auch kann trotz des Versuches homogene Bodenrichtwertzonen zu zeichnen es nicht ausbleiben, dass ein bestimmtes Grundstück innerhalb der selben Bodenrichtwertzone näher an den Bahnenschienen liegt als ein anderes. Die zweite Reihe am See liegt eben auch in der gleichen Bodenrichtwertzone wie die erste Reihe. Die Straße links der Autobahn liegt hinter einer Schallschutzmauer, während die Straße rechtsseitig dies vielleicht nicht tut. Die Bodenrichtwertzonen sind sinnvoll, aber eben für den Zweck des Grundstückmarktberichtes: Nämlich um einen Marktüberblick zu geben. Der objektbespezifischen Bewertung soll der Wert ebenso dienen, jedoch nach vorgenommenen Anpassungen.

Was dies nun bedeutet? Dass jedes Grundstück individuell betrachtet werden muss und der Bodenrichtwert sachverständig auf das zu bewertende Grundstück hin etwaig angepasst werden sollte.

Die gewählte Periode

Die Bodenrichtwerte werden für bestimmte Perioden gebildet, zumeist für ein volles Kalenderjahr. Hier fließen dann alle bereits stattgefundenen Transaktion des Jahres ein. Nach dieser Periode erfolgte Marktveränderungen finden zunächst keinen Einfluss. Hier ist der rasche Zinsanstieg seit Anfang 2022 ein gutes Beispiel.

Das Referenzgrundstück

Das dem Bodenrichtwert zugrundeliegende Referenzgrundstück ist der am häufigsten übersehene Punkt, welcher oftmals in der vereinfachten Bodenwertermittlung übersehen wird. So gelten die ermittelten Bodenrichtwerte für ein spezifisches Referenzgrundstück. Dieses Referenzgrundstück wird vom Gutachterausschuss im Grundstücksmarktbericht regelmäßig beschrieben. Beispielsweise ist es 600m², erschließungsbeitragsfrei und hat eine Wertrelevante Geschossflächenzahl (WGFZ) von 2. Dies bedeutet, dass genau einem solchen Grundstück zunächst dem Bodenrichtwert zugesprochen werden soll. Das konkrete zu bewertende Grundstück ist hiervon in der Regel verschieden. Dass es nicht abweicht ist unwahrscheinlich. Für die Überführung werden häufig Umrechnungskoeffizienten vom Gutachterausschuss bereitgestellt - dies weil die Unterschiedene selten einem linearen Verlauf zeigen und ein einfacher Dreisatz kein adäquates Ergebnis liefert. Diese müssen Anwendung finden. So ist für jede wertrelevante Verschiedenenheit das Grundstück anzupassen. Größere Grundstücke als das Referenzgrundstück bedürfen (zumeist) eine wertmäßige Anpassung nach unten. Erschließungsbeitragspflichtige Grundstücke müssen kostenmäßig überführt werden. Größere WGFZs erhöhen den Wert.

Was ist nun der Bodenwert

Der Bodenwert ist der spezifische Wert des Bodens des spezifisch zu bewertenden Grundstücks. Dieser Wert ist wiederum derjenige Wert, welcher zu einem bestimmten Zeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter Berücksichtigung der individuellen rechtlichen Gegebenheiten, der tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen ist. Diese Definition ist eben diejenige Definition auch für den Verkehrswert eines gesamten Grundstücks (also Boden + Gebäude). Wenn nun bei objektspezifischer Vermarktung Interessenten mehr oder weniger bereit sind zu zahlen, dann ist eben auch der Wert dieses spezifischen Grundstücks höher oder niedriger als der Bodenrichtwert. Der Bodenrichtwert folgt dem Markt und nicht umgekehrt. Bewerten Sie somit individuell den Bodenwert Ihres Grundstücks und nutzen Sie natürlich in erster Linie die Bodenrichtwerte als Ausgangspunkt Ihrer Ermittlung, aber lassen Sie sie nicht das unangepasste Ergebnis werden.